Ganze Generationen sind mit ihren Kinderzeichnungen aufgewachsen: Ilon Wikland, die Illustratorin der Astrid Lindgren Bücher, hat den Kindern von Büllerbü, Mio mein Mio oder Ronja Räubertochter ein Gesicht gegeben. Heute zeichnet die 85-Jährige immer noch. Hejsson traf die Illustratorin zum Interview.
Hejsson: Woher nehmen Sie eigentlich all Ihre Ideen für die Figuren?
Wikland: Die Ideen für meine Figuren nehme ich immer aus dem echten Leben. Wenn ich beispielsweise spazieren gehe, lasse ich mich inspirieren und verwende vieles davon später.
Sind die Figuren, wie die Kinder von Bullerbü, auch nach echten Vorbildern gezeichnet?
Wikland: Alle meine Figuren sind nach lebenden Vorbildern gezeichnet. Ich habe vier Töchter und sie sind immer in meinen Bildern mit dabei. Meine jüngste Tochter Anna ist das Vorbild von „Lotta in der Krachmacherstraße“.
Die Kinder auf den Zeichnungen sehen immer irgendwie wild und frei aus. Ist die Kindheit in Schweden wirklich so?
Wikland: Die Kindheit in Schweden ist tatsächlich relativ frei und nicht so autoritär geprägt. Kinder haben hier etwas zu sagen und die Eltern hören auf sie.
Gerade in Deutschland haben Ihre Zeichnungen das Bild, das Deutsche von Schweden haben, geprägt. Wie viel „echtes“ Schweden steckt in den Zeichnungen?
Wikland: Viel, aber meine Zeichnungen geben nicht nur ein Bild von Schweden, sondern auch von Estland, wo ich meine Kindheit verbrachte. Ich habe dort bis zum meinem 12. Lebensjahr gelebt und diese Zeit hat mich sehr geprägt.
Wie haben Sie Astrid Lindgren getroffen?
Wikland: Ich arbeitete als Grafikerin im gleichen Verlag, in dem Astrid Lindgren Lektorin war und sie fragte mich irgendwann, ob ich einige Zeichnungen für ihr „Mio, mein Mio“-Buch anfertigen könnte.
Das war der Beginn einer langjährigen Verbindung. Wie lief das die Zusammenarbeit mit Astrid Lindgren?
Wikland: Ich habe das Manuskript von Astrid Lindgren erhalten und sorgfältig gelesen, danach haben wir uns getroffen. Ich habe ihr jede Menge Fragen gestellt und sie hat über ihre Welt erzählt. Vor Veröffentlichung hat Astrid alle meine Illustrationen angesehen und abgesegnet.
Haben Sie eine Lieblingsfigur?
Wikland: Meine Lieblingsfigur ist der kleine Krümel aus dem Buch „Die Brüder Löwenherz“. Obwohl er so viel Angst hatte, war er trotzdem mutig und hat sich selbst und seine Angst überwunden.
Wie lange benötigen Sie in etwa für eine Zeichnung?
Wikland: Das ist sehr unterschiedlich, wie lange Zeit ich für eine Zeichnung brauche. Manchmal sind es ein paar Stunden und manchmal eine Woche.
Ihre Zeichnungen berühren die Kinder von heute ebenso, wie die Kinder von damals, Ihre Bilder scheinen zeitlos. Dennoch: welche Bilder würden Sie für die Kinder der Zukunft zeichnen?
Wikland: Die Zeit ist eine unendliche Geschichte, sie wiederholt sich und die ewigen Fragen sind zeitlos. Wir Menschen brauchen alle dasselbe, Liebe und Respekt. Die Menschheit hat ihre Zukunft selbst in der Hand und wir müssen die Hoffnung von einer besseren Welt bewahren. Und natürlich dafür kämpfen.
Über Ilon Wikland
Ilon Wikland wurde 1930 in Tallin geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie in Haapsalu an der Westküste Estlands bei ihren Großeltern. 1944 wurde sie alleine mit dem Schiff nach Schweden geschickt, die Großeltern wollten die 12-Jährige vor der Roten Armee in Sicherheit bringen. In Schweden wuchs sie bei einer Tante auf und begann zu Zeichnen. Zunächst, um die Erlebnisse der Flucht und das Heimweh zu ertragen, später studierte sie Zeichnen an der Kunstakademie in Stockholm und London. Nach dem Studium begann sie als Grafikerin unter anderem im Verlag Rabén & Sjögren zu arbeiten, in dem Astrid Lindgren als Lektorin tätig war. Sie beauftragte die junge Wikland 1954, einige Illustrationen zum Kinderbuch „Mio, mein Mio“ zu zeichnen. Dies war der Beginn einer langjährigen, engen Zusammenarbeit zwischen Astrid Lindgren und Ilon Wikland, sie illustrierte beinahe alle Lindgren-Bücher.